MARIANUM - Schule ohne Rassismus
Von H. Breer
Die Projektgruppe QRage am Marianum bildete sich im Schuljahr 2014/2015 und hat sich zum Ziel gesetzt, Aktionen durchzuführen, die die Begriffe Toleranz und Zivilcourage ins Zentrum rücken.
Im Januar 2016 erhielt das Marianum das Prädikat "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". Über die Auszeichnung und die Hintergründe berichtete H. Harnack von der Meppener Tagespost (s.u.).
Marianum Schule ohne Rassismus, aber mit Courage
Meppen. Neben knapp 2000 weiteren Schulen in Deutschland hat das Gymnasium Marianum die Auszeichnung „Schule ohne Rassismus-Schule mit Courage“ erhalten.
Voraussetzung für die Auszeichnung und den Beitritt zum bundesweit anerkannten Netzwerk war eine Unterschriftenaktion, bei der über 95 Prozent der Schulmitglieder sich dafür aussprachen, nicht nur gegen Rassismus, sondern auch für Toleranz, Respekt und Zivilcourage einzutreten. Die Patenschaft für das Projekt übernahm die Holocaust-Überlebende Erna de Vries aus Lathen.
Deutliche Flagge zeigen
Schuldirektor Leo Pott selbst trägt während der Feier das T-Shirt mit dem Slogan, der gegen Rassismus und für ein solidarisches Eintreten wirbt. Pott sagt, dass man sich derzeit kaum aktueller und realitätsnaher mit einer solchen Problematik befassen könne. Der Direktor wörtlich: „Wir müssen uns mit diesem Problem auseinandersetzen, uns klar positionieren und deutlich Flagge zeigen, weil die zentralen Pfeiler unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zur Zeit infrage gestellt werden, die in unseren Grundrechten verankert sind, ausgehend von dem zentralen Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ Den Frieden, die Freiheit und die Sicherheit, die ja alle so schätzten, gelte es zu verteidigen. Pott weiter: „Zivilcourage ist angesagt, also nicht Wegsehen und Schweigen, wenn Unrecht geschieht!“ Wer schweige und weg schaue, so der engagierte Pädagoge, mache sich mitschuldig und gefährde damit nicht nur den Rechtsstaat, sondern am Ende auch sich selbst.
Schüler zutiefst bewegt
Die vier Schüler Lars Hagemann, Sophia Büld, Tobias Book und Sarah Kuiter von der Gruppe „QRage am Marianum“ stellten das Projekt vor. Sie warben für das couragierte Eintreten für den Nächsten. Der Vertreter der Landeschulbehörde überreichte die Urkunde und dankte für die aufwendige Arbeit. Als Marianum-Pädagoge Hermann Breer dann die Patin des Projekts, die 92-jährige Erna de Vries, an den Rednertisch bat, war es für fast eine Stunde in der Aula des Gymnasiums so still, dass man fast die berühmte Stecknadel fallen hören kann.
Die Schüler waren zutiefst bewegt von ihren persönlichen Schilderungen. Erna de Vries erzählte von ihrer Kindheit in der Heimatstadt Kaiserslautern. Nach einer recht unbeschwerten Kindheit stirbt der evangelisch getaufte Vater an einem Herzfehler. Zunächst kann ihre jüdische Mutter die Firma weiterführen, bis 1933 die Nazis an die Macht kommen und die Juden aus dem Geschäftsleben ausgeschlossen werden. Erna Korn, so der Mädchenname, muss erleben, wie während der Reichspogromnacht 1938 auch ihr Zuhause zerstört wird.
Überlebt das KZ
Auch als feststeht, dass die Mutter in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert werden soll, insistiert ihre Tochter darauf, diese weiter zu begleiten. Die knapp 20-jährige hat lediglich noch einmal den Wunsch, die Sonne sehen zu können und überlebt den Todesblock 25 des KZ. Erna de Vries erzählt ihre Geschichte, die grauenhafter kaum sein könnte, zwar mit leiser Stimme, aber immer noch sehr deutlich und ohne irgendwelche Hasstiraden gegen ihre Peiniger.
Später entgeht sie der Ermordung, da ein KZ-Wachsoldat sie aus einer Gruppe herausholt, sie ist eine sogenannte Halbjüdin ersten Grades und wird in das KZ Ravensbrück gebracht. Zuvor gelingt es der jungen Frau noch, sich von ihrer Mutter zu verabschieden. Diese wird am 8. November 1943 umgebracht. Beim letzten Blick gibt ihre Mutter der Tochter den Satz mit auf den Weg: „Du wirst überleben und erzählen, was man mit uns gemacht hat!“
KZ-Nummer auf dem Arm
Kurz bevor de Vries zum Ende kommt, krempelt sie den linken Blusenärmel hoch und zeigt die Nummer, die ihr als KZ-Insassin von den Nazis eingraviert wurde. Ein Augenblick, der bei vielen jungen Zuhörern in der Aula zur Fassungslosigkeit führt. Auf dem Marsch durch Mecklenburg trifft sie zusammen mit vielen anderen Frauen auf einen amerikanischen Jeep und wird von US-Soldaten befreit. Lang anhaltender und dankbarer Applaus verabschieden Erna de Vries, die im hohen Alter immer noch die Kraft hat, als eine der wenigen Zeitzeuginnen über das schwärzeste Kapitel der deutschen Geschichte zu berichten.