Deutsche SchülerAkademie – Zusätzliche Schule in den Ferien oder Erfahrung fürs Leben?
Von Tobias Erdwien, Jg. 12, 26.08.2022
In den Sommerferien nahm ich an einer zwölftägigen Deutschen SchülerAkademie (genauer einer JGW-SchülerAkademie) in Papenburg teil. Bevor die Schule mich für einen Platz vorschlug, hatte ich, wie viele, die dort waren, noch nie etwas von dieser gehört. Das ist eigentlich sehr schade, aber zum Glück konnten mich die Informationen der Schule und die Website der Deutschen SchülerAkademie direkt überzeugen und ich bekam einige Monate nach der Bewerbung eine Zusage für einen Kurs über Codierungstheorie in Papenburg.
Die Akademie, an der ich teilnahm, setzte sich aus sechs Kursen mit jeweils rund 15 Teilnehmern und zwei Kursleitern pro Kurs sowie zusätzlichen drei Akademieleitungen zusammen, wobei die Teilnehmer und Leiter aus ganz Deutschland und sogar Luxemburg kamen. Die Freizeiten, Essenszeiten, etc. waren jedoch kursübergreifend, wodurch man mit allen Akademieteilnehmern ins Gespräch kam. Dies war besonders interessant, da zumindest bei meiner Akademie die Kurse aus ganz verschiedenen Bereichen bzw. Wissenschaften kamen, nämlich aus der Mathematik, Physik, Biologie, Geschichte, amerikanischen Geschichte und Rechtswissenschaft mit Fokus auf Literatur. Das Arbeiten im Kurs war jedoch nur ein Teil der Akademie und während er vor der Akademie als größter und wichtigster Teil erscheinen mochte, war er am Ende des Tages doch nur einer von sehr vielen Teilen des großen Gesamtpaketes Deutsche SchülerAkademie, welche ich im folgende vorstellen werde.
Wie muss man sich das Arbeiten im Kurs nun vorstellen? Viele denken als erstes wahrscheinlich an ein ähnliches Arbeiten wie in der Schule. In diesem Falle würde ich insoweit zustimmen, dass es die bestmögliche Version von Schule war, die praktisch alles Negative am Schulalltag strich und die positiven Aspekte besonders betonte. Aber erst einmal zu den Zeiten: Am Vormittag hatte ich drei Stunden (Zeitstunden, nicht Schulstunden) und nachmittags zwei Stunden Unterricht, inklusive zwei kurzer Pausen. Der Unterricht war dabei an das Niveau eines Grundstudiums angelehnt und bestand aus vielen Referaten, welche wir bereits vor der Akademie vorbereitet hatten, einer großen Anzahl Gruppenarbeiten, aber natürlich auch direktem Unterricht sowie einigen praktischen Versuchen und gelegentlichen Quiz. Insgesamt lag der Fokus stark auf dem selbstständigen Erarbeiten der Inhalte, wobei die Referate meist den Einstieg in das jeweilige Unterthema boten und dann weiter vertieft wurden. Der wichtigste Unterschied zu schulischem Unterricht war jedoch die lockere Atmosphäre. Die Teilnehmer und die Kursleiter waren alle freiwillig bzw. ehrenamtlich dort und wollten dementsprechend etwas lernen bzw. beibringen, wodurch in Kombination mit der Verteilung von zwei Kursleitern auf nur 15 Teilnehmer ein sehr angenehmes Arbeiten möglich war. Zudem sollten wir grundsätzlich die Kursleiter (sowie auch die Akademieleitungen) duzen, was natürlich auch die Atmosphäre auflockerte. Darüber hinaus gab es natürlich auch keine Noten, Prüfungen oder ähnliches und es bestand auch kein Zeitdruck, da, wenn wir mehr Zeit für ein Thema oder etwas Organisatorisches benötigten, wir weniger relevante Themen einfach streichen bzw. kürzen konnten.
Doch so viel Spaß mir der Kurs auch gemacht hat und so viel Interessantes ich auch über Codierungstheorie und wissenschaftliche Arbeitsweisen im Generellen lernen konnte, waren es doch die Zeiten außerhalb des Kurses die mir am längsten in Erinnerung bleiben werden und welche die SchülerAkademie für mich so besonders gemacht haben. Kommen wir also gleich zum wichtigsten Angebot, den KüAs (Kursübergreifende Aktivitäten), welche den größten Teil der Freizeit füllten. Das interessante an den KüAs war, dass diese von den Teilnehmern selbst organisiert und durchgeführt wurden. Jeder der eine KüA veranstalten wollte, konnte seine Idee mit Zeit, Ansprechpartner und Ort an ein schwarzes Brett hängen und jeder, der daran teilnehmen wollte, erschien einfach zu dieser. Waren hierfür spezielle Materialien oder Schlüssel zu Räumen notwendig, wurden diese, sofern möglich, von den Akademieleitungen bereitgestellt. Es gab z. B. Debatierrunden, Poetryslams, Powerpoint-Karaoke (Vorstellen von Präsentationen, die der Referent beim Vorstellen das erste Mal sieht), Improvisationstheater, eine Vorlesung aus einem selbstgeschriebenen Buch, Karaoke, Gesellschaftsspiel- und Filmabende sowie einen Crashkurs für Chinesisch und einen für Gebärdensprache. Zudem sind auch immer wieder Gruppen mit Leihrädern in die Stadt oder sogar ganz bis in die Niederlande gefahren. Es gab aber auch größere KüAs, die regelmäßig stattfanden, z. B. ein Tanzkurs mit einem abschließenden Abtanzball, ein Lesezirkel, sowie einen Chor, ein Orchester und mehrere kleinere Musikgruppen, die an einem speziellen Konzertabend ihre Stücke präsentierten. Der Chor und das Orchester wurden dabei speziell von einem Kursleiter mit Erfahrung in diesem Bereich dirigiert und organisiert. Für die sportlichen Teilnehmer wurde zudem z. B. Joggen, Badminton, Ultimate Frisbee, Fußball, Yoga und vieles mehr angeboten. Zudem konnte man auch einfach mit einem Ruderboot fahren (unsere Unterkunft lag direkt an einem großen See), Tischtennis etc. spielen oder sich einfach irgendwo auf dem traumhaften und sehr großen Gelände der HöB (Hist.-Ökol. Bildungsstätte Papenburg, unsere Unterkunft) mit ein paar Leuten hinsetzen und sich über irgendetwas unterhalten. Ich bin zwar noch gar nicht durch mit dem Programm, kann aber jetzt schon mal anmerken, dass es Langeweile einfach nicht gab und sich praktisch jeder Abend bis mindestens Mitternacht zog, weil es so viel zu erleben und unternehmen gab und es einfach zu schade gewesen wäre, die Zeit nicht voll und ganz auszunutzen. Ja, natürlich holte uns alle irgendwann das unausweichliche Schlafdefizit ein, aber dafür gab es ja auch die morgendlichen „Energizer“ (Aufwachübungen) im Plenum. Bei diesem wurden ansonsten primär organisatorische Dinge angesagt, aber auch immer die aktuellen Nachrichten, das Wetter und sehr humorvolle Lokalnachrichten von der Akademie von jeweils einem Kurs vorgestellt. Die letzte Komponente sind die Sonderaktivitäten, welche bereits vorher fest geplant waren. Dazu gehörte ein Ausflug zu einem von vier Zielen (ich habe die Meyer Werft besichtigt), eine Schnitzeljagd, ein Quizabend, Studieninfoabend, eine Rotation, bei welcher sich die Kurse gegenseitig ihr Gelerntes vorgestellt haben, ein Konzertabend, Grillabend, Lagerfeuerabend, Bunter Abend, welchen wir selbst organisiert haben, und eine abschließende Party.
Ich bezweifle, dass es möglich gewesen wäre, noch mehr Inhalt in nur zwölf Tagen unterzubringen, aber genau das ist es, was zusammen mit den vielen netten Leuten, die ich kennenlernen durfte, die Akademie so besonders gemacht hat. Jeder Tag war ein eigenes Highlight und eine neue Gelegenheit verschiedenste Leute mit unterschiedlichsten Interessen kennenzulernen. Es ist sich sicher nicht schwer vorzustellen, wie schnell die Zeit verflog und der letzte Tag und damit die Abreise kam. Ich konnte in zwölf Tagen, so viele Erfahrungen sammeln, dass ich wahrscheinlich ein ganzes Buch damit füllen könnte, und am Ende hatte sich ein so gutes Gemeinschaftsgefühl entwickelt, dass man hätte glauben können, wir alle würden uns schon Jahre lang kennen. Zudem habe ich natürlich auch gelernt, wie Daten z. B. auf einer CD codiert werden, was, auch wenn es mir mancher nicht glauben mag, extrem interessant ist.
Aber ist die Geschichte jetzt mit dem Ende der Akademie vorbei, vorbestimmt irgendwann in den Erinnerungen der Teilnehmer verloren zu gehen? Natürlich nicht, für die Erinnerung haben wir eine riesige Dokumentation angefertigt und jeder Teilnehmer hat die Möglichkeit dem Club der Ehemaligen (CdE e. V.) beizutreten, welcher sich aus ehemaligen Teilnehmern Deutscher SchülerAkademien zusammensetzt und selber Angebote, wie eigene Akademien, Treffs, Segeltouren und vieles mehr, anbietet. Darüber hinaus ist es in digitalen Zeiten glücklicherweise deutlich leichter möglich, den Kontakt auch über die großen Distanzen (schließlich kommen die Teilnehmer ja aus ganz Deutschland) aufrechtzuerhalten und die Hoffnung groß, dass auch ein „analoges“ Treffen umsetzbar sein wird.
Um meine Erfahrung also noch einmal in einem Satz zusammenzufassen: Die Deutsche SchülerAkademie hat meine bereits hohen Erwartungen weit übertroffen und ist tatsächlich eine Erfahrung fürs Leben und ich hoffe, dass in der Zukunft noch mehr interessierte Schülerinnen und Schüler diese Erfahrung machen können und eine genauso gute Zeit wie ich dort haben werden.