Leben müssen – sterben dürfen
Akademieabend aus der Reihe „Fit für’s Zentralabitur“
Von M. Langenbach, 22.11.2018
Referenten: Prof. Dr. Dr. h. c. Dieter Birnbacher, Philosoph, Universität Düsseldorf; Priv. Doz. Dr. med. Walter Höltermann, Palliativ-Praktiker, Lingen; Prof. Dr. Elmar Kos, Theologe, Universität Osnabrück/Vechta
Zwei der drei Prüfungskurse in Kath. Religion besuchten am 15. November den Akademieabend, der inhaltlich auf das vorgegebene Prüfungsmodul „Verantwortliches Handeln vor eschatologischem Horizont“ angepasst war. Die Referenten stellten ihre Positionen in der Diskussion um die Sterbehilfe, konkret um das Konfliktfeld „Assistierter Suizid“ unter Beteiligung von Ärzten und Pflegepersonal, dezidiert und für die Schüleriinnen und Schüler verständlich vor.
Als Präsident der Gesellschaft für humanes Sterben hob Prof. Birnbacher das Prinzip der Sebstbestimmung, welche ein ureigenes Lebensrecht sei, auch für die Gestaltung des eigenen Todes hervor. Als akzeptabel seien dabei der palliativ unterstützte Behandlungsabbruch, der freiwillige Verzicht auf die Nahrungsmittelaufnahme (ein langer Sterbeprozess sei die Folge) sowie die Selbsttötung mit ärztlicher Unterstützung einzuordnen. Letzteres sei seit 2015 unter Strafe gestellt, wobei bereits elf Verfassungsklagen dazu anhängig seien, weil sie die Autonomie des Patienten nicht berücksichtigen würden.
Prof. Kos wandte sich gegen eine Absolutsetzung des Selbstbestimmungsrechtes, da der Mensch kein absolutes Verfügungsrecht über den Anfang und das Ende des Lebens habe, die Endlichkeit und Begrenztheit seiner Entscheidungen seien zu berücksichtigen. Natürlich solle Leid vermindert werden, aber die Selbstbestimmung des Menschen sei nicht zu überhöhen. Seine zentrale Frage, ob es ein Gut gäbe, das eine Lebensvernichtung rechtfertige, beantwortet er mit der Feststellung, dass das Leben nicht abwägbar im Sinne einer Güterabwägung sei. Als Gefahren bei der legalen Anwendung eines assistierten Suizids erkennt er den Rechtfertigungsdruck, wenn ein Mensch trotz tödlicher Krankheit weiterleben will, und den im Namen der Freiheit ausgeübten Einfluss auf die Entscheidung des Patienten. Er stellt die Frage, ob der Patient tatsächlich in solch einer freien Situation sei, über sein Lebensende zu entscheiden, ob nicht die spezifische Behandlungssituation und die Hilfsbedürftigkeit des Patienten unterschätzt würden. Selbstbestimmungsrecht und Fürsorge für den Patienten in Hospizen und Palliativstationen seien nicht im Widerspruch zu sehen, sondern zeigten, dass der todkranke Mensch auf Annahme und Begleitung zählen könne.
Der Palliativmediziner Dr. Höltermann versteht den Arzt als Begleiter und Berater des Patienten, der alle möglichen Behandlungswege offenlege, bespreche, mit dem Erkrankten den Behandlungsweg entwickle und so die Autonomie des Patienten achte. Seine Erfahrung aus diesem Vorgehen ist, dass noch kein Patient sterben wollte. Eindringlich plädierte er dafür, Ärzte und Pflegepersonal mit der Pflicht zum assistierten Suizid nicht zu überfordern.
Für alle Anwesenden war es ein Abend voller Anregungen zum Nachdenken und zum Austausch über die verschiedenen Auffassungen.