Sami aus Eritrea nach Italien abgeschoben
Von A. Kreilos, 24.04.2016
Sami ist weg ... so lautete die Betreff-Zeile der Mail, die mir Frau Diek-Münchow schickte ....
Einige Schüler aus dem Jahrgang 9 (Projekttage) und eine Gruppe aus dem Jahrgang 10 (Austausch Nantes) haben Sami und seine Geschichte kennen gelernt, als er uns im Marianum – zusammen mit Frau Diek-Münchow und deren Sohn (ehemaliger Marianer) – besuchte.
Frau Diek-Münchow teilte mir nun mit, dass Sami abgeschoben worden ist. Er hatte nicht einmal die Möglichkeit, sich zu verabschieden. Da er – vermutlich in der Hektik des Aufbruchs - auch das Ladekabel für sein Handy vergessen hat, ist derzeit kein Kontakt zu ihm möglich. Niemand aus Meppen, weiß, wo er ist, wie es ihm geht. Frau Diek-Münchow hat versucht, ihre Gefühle in Worte zu fassen und uns diesen Text freundlicherweise zur Verfügung gestellt:
"Ich bin unendlich traurig. Richtig wütend, entsetzt – und total enttäuscht. Wir hatten das Glück, mit Sami einen großartigen und liebenswerten Menschen kennenzulernen. Und nun ist er weg. Gestern morgen hat ihn die Polizei in aller Frühe abgeholt. Nach einem Jahr, in dem er hier bei uns eine neue Heimat gefunden und sich ein neues Leben aufgebaut hatte, muss er nach Italien zurück – wo er niemanden kennt, wo er wieder von vorn anfangen muss. Das kann und will ich nicht verstehen.
Sami stammt aus Eritrea und ist im Sudan aufgewachsen. Für Christen wie ihn ist die Situation in beiden Ländern hochproblematisch, ja sogar gefährlich. Er hat sich deswegen auf den Weg nach Europa gemacht. Unter Umständen, die wir uns in unseren bequemen Sofas und Fernsehsesseln nicht ausmalen können. Die Hoffnung auf neues, auf ein vor allem sicheres Leben hat ihn vorantrieben. Wenn wir ihn gefragt haben, was am wichtigsten für ihn ist, hat er immer zuerst gesagt: to be safe – sicher zu sein. Wissen wir eigentlich, was das bedeutet?
Zuerst hat er seinen Fuß in Italien auf europäischen Boden gesetzt. Und ist deshalb dort registriert worden. Aber niemand hat ihm etwas vom Dublin-Abkommen erzählt. Niemand hat ihm gesagt, dass er seinen Asylantrag in Italien hätte stellen müssen. Niemand hat ihm gesagt, dass er in Deutschland wird nicht bleiben können. Und so ist er weitergereist. Ist bei uns angekommen. Hat sofort angefangen Deutsch zu lernen. Hat Fußball im Verein gespielt. Hat sich für junge Menschen und andere Flüchtlinge engagiert. Hat Aussicht auf eine Job. Hat Nachbarn, Freunde, familiäre Kontakte gefunden. Er gehörte dazu.
Und nun musste er doch zurück nach Italien. Viele Menschen waren und sind damit nicht einverstanden. Wir haben mehrere Monate dagegen gekämpft – mit allen Mitteln, die wir einsetzen konnten. Ohne Erfolg, jedes Mal kam eine neue Ablehnung. Nun musste er seine Tasche packen. In Hast und Eile, vermutlich voller Angst und Panik. Der Gedanke daran, wie er sich dabei gefühlt haben muss, legt sich mir wie ein zentnerschweres Gewicht auf mein Herz. Nicht einmal verabschieden konnten wir uns von ihm. Wir wissen nicht, wo er jetzt ist und können ihn derzeit auch nicht erreichen.
Natürlich sind wir enttäuscht, dass all unsere Arbeit am Ende nichts bewirkt hat. Aber wie unendlich enttäuscht muss Sami sein? Von dem Land, auf das er seine ganze Hoffnung gesetzt hatte. Kann das richtig sein?"
Siehe auch: Bericht in der Meppener Tagespost