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News des Jahres 2016

 

Internationale Jugendbegegnung

Von Niklas Schwegmann (Jg. 11), 02.03.2016

Als Frau Kreilos mir von dem Projekt erzählte, war ich begeistert von der Idee, dass ich die verschiedensten Menschen aus verschiedensten Ländern kennen lernen durfte und mich eine Woche lang mit ihnen über Geschichte und Politik auszutauschen dürfen. Doch was ist die Jugendbegegnung eigentlich? Die internationale Jugendbegegnung des Bundestages gibt es nun seit 20 Jahren und findet an verschiedenen Orten statt, die durch ihre Geschichte mit dem NS-Regime und dem Zweiten Weltkrieg verknüpft sind. Die internationale katholische Friedensbewegung Pax Christi in den Bistümern Osnabrück/ Hamburg, in deren Vorstand Frau Kreilos mitarbeitet, konnte einen Jugendlichen benennen, der daran teilnehmen durfte.

In diesem Jahr sollte vom es 22. Januar bis zum 27. Januar nach Berlin und in das thüringische Nordhausen gehen. Diese Ziele klingen zunächst ernüchternd, wenn man hört, dass es in den Jahren zuvor nach Auschwitz und St. Petersburg ging. Das Thema sollte die mir recht unbekannte Zwangsarbeit im NS-Staat sein. Dennoch war meine Vorfreude groß. Ehe ich mich versah, saß ich im Zug nach Berlin. Dort angekommen traf ich das erste Mal auf Teilnehmer. Kurz darauf fand ich mich in meiner Kleingruppe wieder. Unsere Teamerin war eine kleine, sehr freundliche Polin mit dem Namen Anna.

In den Kleingruppen konnte nun das „Arbeiten“ beginnen. Selten habe ich so viele Informationen in so wenigen Tagen aufnehmen müssen. An jedem Tag gab es etwas Neues zu lernen. Um Jochen Guckes, den Leiter der Begegnung, zu zitieren: „Wenn jeder auch nur 15% der ihm dargebotenen Informationen mitnimmt, bin ich zufrieden.“ Doch die Woche bestand ja nicht nur aus Diskussionen über Zwangsarbeit und KZ-Häftlinge, sondern auch aus dem Besuch vom KZ Mittelbau-Dora und dem Zwangsarbeiterlager Berlin-Schöneweide. Gerade das KZ Mittelbau-Dora mit seinem wirklich riesigen Stollen ist mir in Erinnerung geblieben. Dort arbeiteten und starben bombensicher versteckt im Harz mehrere Tausend Menschen, um die sogenannten Wunderwaffen der Nationalsozialisten zu bauen. Diese Waffen sollten in dem eigentlich schon verlorenen Krieg die Wende bringen. Doch der erwartete Erfolg blieb aus, im Nachhinein wurden dort also sinnlos Menschenleben regelrecht „verheizt“.

Einen weiteren kleinen Höhepunkt stellten die Zeitzeugengespräche dar. Diese gaben den sonst entgegen den in der Schule auf Fakten beruhenden vermittelten Informationen einen emotionalen und persönlichen Anstrich. Bei diesen Gesprächen merkte man nochmal in besonderer Weise, dass hinter den 20 Mio. Zwangsarbeitern jeweils ein Einzelschicksal steckt.

Doch es wurde bei Weitem nicht nur gearbeitet, es musste sich ja schließlich auch begegnet werden. Dies geschah meistens abends nach dem regulären Programm, welches häufig bis 22 Uhr verlief, und ging des Öfteren bis tief in die Nacht. Schlaf war also Mangelware während der Begegnung, und Kaffee war der beste Freund des Teilnehmers. Doch dieser Schlafmangel war es wert, denn man konnte die verschiedensten Ansichten von Menschen aus ganz Europa und den USA kennenlernen. Es wurden Vorurteile gegenüber anderen Nationen abgebaut, aber leider auch aufgebaut. Dennoch war dies einer der schönsten Teile der Jugendbegegnung.

Die größten Momente fanden jedoch am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens (in Erinnerung an den 27.1.1945, der Befreiung des KZ Auschwitz), statt. Als erstes fand die Gedenkstunde im Plenarsaal des Bundestages statt, dort hielten der Bundestagspräsident und die Holocaustüberlebende Ruth Klüger jeweils eine Rede. Im Anschluss sang ein Chor das Lied der Moorsoldaten, welches im KZ Börgermoor geschrieben wurde. Man hatte also ein kleines Stück Emsland im großen Bundestag, auch wenn das Lied in einem eher negativen Kontext entstand. Anschließend folgte eine Podiumsdiskussion von uns Jugendlichen mit Norbert Lammert und Ruth Klüger. Dort wurde über Zwangsarbeit, aber auch über den Film „Er ist wieder da“ und über die nun legale Verfügbarkeit von „Mein Kampf“ in Deutschland diskutiert.

Abschließend lässt sich sagen, dass die Jugendbegegnung für mich ein voller Erfolg war und all meine Erwartungen erfüllt wurden. Ich rate jedem, der sich für Geschichte und Politik interessiert und die Möglichkeit hat, dort teilzunehmen, diese großartige Chance zu nutzen. Doch man sollte sich auf wenig Schlaf, einen strikten Zeitplan und auf einen größeren Kaffeekonsum, als man gewohnt ist, einstellen.