Von Dr. Iris Herbst und Dr. Joachim Beyer
für den Schulelternrat des Gymnasium Marianum Meppen
Leserbrief zum Artikel:
Tausende neue Studienplätze
für doppelten Abiturjahrgang, u.a. in Meppener
Tagespost vom
12.01.2011
Die beruhigend und beschwichtigend angedachte Botschaft, dass mit dem
Aufbau von bis zu 8000 zusätzlichen Studienplätzen
ausreichend auf den zu erwartenden Bewerberandrang reagiert wurde,
verfehlt weitgehend ihre Wirkung bei den Betroffenen, das
heißt bei Schülern, Eltern und auch Lehrern. Nicht
umsonst war das Thema einer Podiumsdiskussion des Verbandes der
Elternräte der Gymnasien Niedersachsens vor kurzem:
„Doppelter Jahrgang, halbe Chance?“
2011 absolvieren in Niedersachsen ca. 25 000 Schülerinnen und
Schüler das Abitur, allein in Meppen über 500. Dies
ist bedingt durch den „doppelten Jahrgang“ mit
Verkürzung der gymnasialen Ausbildungsjahre von 9 auf 8 Jahre
und gleichzeitiger Abiturprüfung für die zwei
betroffenen Jahrgänge. Bundesweit wird dies zwischen 2007 und
2016 umgesetzt, wobei zahlenbezogen der Jahrgang 2011 vermutlich den
größten Bewerberandrang für
Ausbildungsstellen bedeutet, egal ob für Studium, Lehre oder
duale Ausbildungsgänge. Verschärft wird diese
Situation noch durch den Wegfall von Wehr- und Zivildienst und der zu
erwartenden noch stärkeren Nachfrage von
Ausbildungsplätzen in diesem Jahr.
Nicht vergessen werden sollte, dass die betroffenen Jahrgänge
während der letzten Jahre eine Vielzahl von Neuerungen und
Schulreformen erleben mussten, wobei das hohe geforderte
Umsetzungstempo mannigfaltige Schwierigkeiten verursachte.
Zu nennen sind die Abschaffung der Orientierungsstufe, die
Einführung der Profiloberstufe und des Zentralabiturs, die
auch aus Sicht der Schulleiter unzureichend vorbereitete Umstellung von
G 9 auf G 8 und die damit verbundene Verdichtung von Unterricht, die
unkoordinierte und noch längst nicht abgeschlossene
Implementierung inhaltlich überfrachteter Kerncurricula in der
Sek. I und Sek. II, um nur einige zu nennen.
Die so ohnehin belasteten und verunsicherten Eltern und
Schüler des Doppeljahrganges 2011 beschäftigt so die
Frage, ob Hochschulen und Wirtschaft ausreichend vorbereitet sind.
Seitens der Hochschulen wird einerseits ein Ausbau von
Studienplätzen signalisiert. In vielen Studienrichtungen, z.
B. Biologie, Medizin, Chemie, ist es jedoch mit der Zusage von
Geldmitteln nicht getan, da entsprechend Kurs- und Laborplätze
aufgebaut werden müssten, was bislang nicht ausreichend
umgesetzt worden ist. Lösungsvorschläge der
Hochschulen zur Behebung des Platzmangels umfassen Anmieten von Hotels,
Kinos, Sporthallen. Sogar der Vorschlag eines Großzeltes
wurde in Hannover unterbreitet, ferner universitärer
Unterricht in Früh- und Spätschicht und am
Wochenende. Im Artikel wurde bereits auf die sich abzeichnende
Wohnungsnot für Studenten hingewiesen.
Die Möglichkeit, dass sich Abiturienten aus Niedersachsen
bundesweit bewerben können, wird keine Lösung
darstellen, da auch in den nächsten Jahren in großen
Bundesländern, u. a. in Bayern (2011), in
Baden-Württemberg (2012), in Nordrhein-Westfalen und Hessen
(2013), Doppeljahrgänge auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
drängen. Die zur Verfügung gestellten Geldmittel, die
überwiegend dem notwendigen Lehrpersonal zugute kommen, sind
ein wichtiger Schritt, nur können, wie z. B. ein
Unipräsident verlauten ließ, die Professorenzahlen
nicht einfach mal um 50 % erhöht werden.
Auch darf nicht vergessen werden, dass der Doppeljahrgang auf die
Nichtabiturienten unabsehbare Auswirkungen hat. Für Haupt- und
Realschüler sind die Aussichten, einen beliebten
Ausbildungsplatz wie im Bankwesen und kaufmännischen Bereich
zu bekommen, noch schwieriger. Der Konkurrenzdruck auf dem
Ausbildungsmarkt wird absehbar steigen. Wir sollten unsere Kinder
stärken und bestmöglich unterstützen, das
gewünschte Ausbildungsziel zu erreichen.
Die im Artikel zitierte Aussage „die Finanzierung ist kein
Problem“ berücksichtigt gewiss nicht alle Aspekte
und Probleme des doppelten Abiturjahrgangs.
(Im Brief sind aus Platzgründen die
Begriffe Lehrer, Schüler, Abiturienten und Studenten
geschlechterübergreifend gemeint.)
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