Antisemitismusprävention am Marianum
Von Johannes Kröger und Jan Peter Baum
76 Jahre nach der Shoah ist der Antisemitismus „plötzlich“ in die Gesellschaft zurückgekehrt. Der Anschlag von Halle, die Verschwörungserzählungen in der Corona-Krise und das, in verschiedenen Variationen, populäre Schimpfwort „Du Jude“ zeigen dies sehr eindrücklich.
„Plötzlich“ ist diese Entwicklung keineswegs. Earl Raab konstatiert schon im Jahr 2002, dass Antisemitismus tief im kulturellen Reservoir in Europa verankert sei und sich dieses Reservoir, wie ein Gasvorkommen, nun wieder entzündet hat. In beobachtbaren Wellen kehrt der Antisemitismus, gerade in Krisenzeiten, zurück.
Diese gesellschaftlichen Entwicklungen spiegeln sich auch in der Schule wider, so wie alle gesellschaftlichen Entwicklungen. Keine Diskriminierung, auch nicht der Antisemitismus, fängt mit Hass an, sondern mit negativbehafteten Kategorien, Pauschalisierungen, Stereotypen, Vorurteilen oder unterschwelliger Abneigung.
All dies scheint im kulturellen Reservoir verhaftet zu sein und findet seinen Ausdruck eben auch in dem Schimpfwort „Du Jude“, welches auf Schulhöfen zu hören ist.
Das Gymnasium Marianum Meppen stellt sich aktiv gegen Antisemitismus in Gesellschaft und an der Schule. Um dies zu gewährleisten wurden folgende Maßnahmen beschlossen:
- Zu Beginn des Jahres 2022 wurden die Lehrkräfte Johannes Kröger und Jan Peter Baum vom Schulleiter zu Antisemitismusbeauftragten ernannt
- Die Personal- und die Schulkonferenz haben Regeln zur Prävention und Intervention bei antisemitischen Vorfällen am Marianum beschlossen (siehe unten)
- Das Kollegium nimmt regelmäßig an Fortbildungen zum Thema teil
- Antisemitismus wird auf Elternversammlungen und in Klassenleiter:innenstunden thematisiert
- Begegnungen mit dem zeitgenössischen Judentum, sowie eine fächerübergreifende Befassung mit der Shoah sind in den Hauscurricula verankert
- Am Marianum wurde der Anne-Frank-Tag (12.06.) als schuljährlicher Gedenktag an die Verfolgung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden etabliert
- Das Zweitzeugen-Projekt wird jedes Jahr durchgeführt. In dem peer-to-peer Projekt berichten ältere Schülerinnen und Schüler (ab Jahrgang 10) dem Jahrgang 7 über Lebensgeschichten von Holocaustüberlebenden
- Es werden Ansprechpartner ausgewiesen, die bei antisemitischen Vorfällen kontaktiert werden können (s.u.)
Definition von Antisemitismus
Antisemitismus im weiteren Sinne ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort und Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.
(nach: Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRS))
Prävention und Intervention bei antisemitischen Vorfällen
Prävention
Gemäß unserem Leitbild binden wir selbstverständlich die Prävention gegen Antisemitismus in unser Schulleben ein.
- Wir vermitteln und lernen das Judentum in seiner Vielfalt kennen.
Unsere Schule versteht sich als lernende Organisation.
- Wir, als Mitarbeitende der Schule, setzen uns in regelmäßigen Fortbildungen mit dem Antisemitismus auseinander und überprüfen unsere gemeinsamen Absprachen.
Für unsere Schule ist soziale Kompetenz die Grundlage des Zusammenlebens.
- Antisemitismus hat eine starke psycho-emotionale Komponente. Diese beziehen wir bei der Aufklärung mit ein.
- Wir schaffen ein vertrauensvolles, integratives Lernklima, das Diskriminierungserfahrungen ernst nimmt und jüdische Perspektiven verdeutlicht.
An unserer Schule sind Transparenz und Kommunikation Ausdruck gesellschaftlicher Teilhabe.
- Wir binden Schülerinnen und Schüler aktiv und selbstbestimmt in die Präventionsarbeit mit ein, z. B. im Zweitzeugenprojekt.
Unsere Schule öffnet sich nach außen.
- Wir besuchen Orte jüdischen Lebens, z.B. die Synagoge in Osnabrück und fördern auf diese Weise Dialog und Begegnung.
- Wir setzen uns mit dem Holocaust und jüdischer Geschichte an außerschulischen Lernorten auseinander, z. B. durch den Besuch der Gedenkstätte in Esterwegen oder des jüdischen Friedhofs in Meppen.
Interventionsregeln
Sollte es trotz präventiver Maßnahmen zu antisemitischen Vorfällen am Marianum kommen, so geben wir uns folgende Regeln der Intervention.
- Wir stoppen den Vorfall sofort.
- Wir schützen die Betroffenen und nehmen ihre Erfahrungen ernst.
- Bei schweren Verstößen prüfen wir strafrechtliche Konsequenzen.
- Wir setzen Grenzen und widersprechen antisemitischen Aussagen, auch wenn keine Jüdinnen und Juden anwesend sind.
- Wir trennen Person und Aussage. Dabei verdeutlichen wir, dass es sich um Antisemitismus handelt, ohne die verantwortlichen Personen als Antisemitinnen oder Antisemiten zu bezeichnen.
- Wir machen antisemitische Vorfälle zum Thema. In der Klasse und bei den Kolleginnen und Kollegen. Dabei binden wir die Antisemitismusbeauftragten und ggf. auch externe Experten mit ein.
- Wir begleiten Betroffene von Antisemitismus in der Aufarbeitung der Vorfälle.
Hinweise, wo Betroffene Hilfen finden
Betroffene von antisemitischen und religiös diskriminierenden Äußerungen können am Gymnasium Marianum Meppen an mehreren Anlaufstellen Hilfe finden:
- Schulsozialarbeiterin: Annette Schrandt
- Beratungslehrer:innen: Andrea Burrichter-Ernst, Robert Pieper, Karin Schmid, Michael Vlachakos, Ylva Zindler
- Antisemitismusbeauftragte: Johannes Kröger, Jan Peter Baum
- Externe Beratungsstelle: „efle beratung.leben“ (Ehe-, Familie-, Lebens- und Erziehungsberatung im Bistum Osnabrück), https://www.efle-beratung.de/