Soziales Praktikum am Marianum
Von S. Jansing-Hovest
Seit Herbst 2008 absolvieren alle Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 11 in der Regel unmittelbar vor den Herbstferien ein sogenanntes Sozialpraktikum, d.h. ein Praktikum in einer sozialen Einrichtung.
Hintergründe
Angesichts wachsender sozialer Probleme in unserer Gesellschaft erachten wir es im Rahmen des ganzheitlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags unserer Schule für sinnvoll, die für ein erträgliches Zusammenleben erforderlichen Sozialkompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler besonders zu stärken und zu fördern. Natürlich werden auch im Unterricht und in den Medien Existenz und Ausprägung sozialer Problemfelder vermittelt, jedoch wird dabei die Komplexität der Probleme meistens (notwendigerweise) reduziert. Außerdem sollte sich gesellschaftliches und insbesondere christliches Miteinander nicht in der Konzentration auf sich selbst erschöpfen, sondern auch darüber hinausgehen, so wie es auch die Deutsche Bischofskonferenz in ihrem Projekt „Compassion“ vorschlägt.
Deshalb sollen die Schülerinnen und Schüler „raus in die Wirklichkeit“, um sich selbst ein Bild zu machen und Erfahrungen mit gesellschaftlicher Wirklichkeit zu sammeln. Ihre Wahrnehmungsfähigkeit und Sensibilität gegenüber Menschen in Problemlagen soll dadurch gestärkt werden. Auch können die Schülerinnen und Schüler durch unmittelbare Erfahrungen möglicherweise greifbarer die Verantwortung für Mensch und Schöpfung erkennen und eine Bereitschaft zum Mittragen dieser Verantwortung entwickeln. Durch die Erfahrung praktischer Hilfeleistung und den Dienst am Menschen sollen die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, sich in die Lage anderer, hilfsbedürftiger Menschen hineinzuversetzen und dabei Empathie zu entwickeln. Somit ist das Sozialpraktikum als ein Baustein zur Erlangung von Sozialkompetenzen anzusehen.
Konkrete Umsetzung
Die Schülerinnen und Schüler absolvieren ihr Praktikum in einer sozialen Einrichtung, in der sie selbst kleinere Hilfestellungen leisten können, beispielsweise in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Kindergärten oder anderen sozialen Einrichtungen wie Beschäftigungsinitiativen oder ambulanter Wohnungslosenhilfe. Die Praktikumsplätze werden aus einem emslandweiten Pool, der seitens der Schule zusammengestellt wurde, von den Schülerinnen und Schülern ausgewählt. Nach Auswertung des Wahlverfahrens verfassen die Schülerinnen und Schüler eine Bewerbung für die ausgewählte Institution, welche dann letztlich selbst über die Annahme des einzelnen Jugendlichen entscheidet. Nach Absprache mit den Praktikumskoordinatoren ist auch ein selbst organisiertes Praktikum außerhalb des Emslandes möglich. Unter Berücksichtigung einer Kennlern- und Eingewöhnungsphase und um zu vermeiden, dass das Praktikum wie eine Besichtigung wirkt, beträgt die Dauer des Sozialpraktikums insgesamt drei Wochen.
Die Begleitung umfasst eine Unterrichtseinheit zu Bewerbungen, einen Vorbereitungsnachmittag, der für den Austausch von Erwartungen, für die Klärung organisatorischer Fragen und für Gespräche mit Experten aus den verschiedenen Praxisfeldern zur Verfügung steht, sowie die individuelle Betreuung durch jeweils eine Lehrkraft der Jahrgangsstufe, die den Praktikanten auch während des Praktikums in der Einrichtung besucht. Ein Nachbereitungstag in der ersten Woche nach den Ferien ermöglicht den vertieften Austausch und die Reflexion von Erlebnissen und Erfahrungen. Eine persönliche Auswertung erfolgt durch einen zweiseitigen Aufsatz oder eines kreativen Beitrags in Form eines Bildes, einer Collage, Skulptur, eines Musikstücks o.ä. verbunden mit einer zusätzlichen Erklärung des „Kunstwerks“. Nach einer Würdigung durch die begleitende Lehrkraft, die eine angemessene Auseinandersetzung mit den Erfahrungen während des Praktikums bescheinigt, erhalten die Schülerinnen und Schüler mit dem folgenden Halbjahreszeugnis als Anlage ein Zertifikat, das das Engagement im Sozialpraktikum bestätigt.
Zitate von Schülerinnen und Schülern:
„Ich sehe Vieles anders, besonders das Leben der Kranken und Alten. Manchen geht es wirklich schlecht, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht erkennt.“
„Ich fand es echt hilfreich, da ich viele neue Erfahrungen gesammelt habe und jetzt mit einem ganz neuen Gefühl auf andere Menschen zugehen kann.“
„Ich habe gemerkt, dass ich mit der Zeit immer selbstbewusster geworden bin, da ich nun Aufgaben machen konnte, die ich mir vorher nicht zugetraut hätte. Die ist meinen Eltern auch positiv aufgefallen.“
„Ich denke jetzt oft darüber nach, wie es mir später wohl ergehen wird, wenn ich alt bin und auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen bin. Ich denke, man ist dann sehr froh, wenn sich jeden Tag Menschen mit einem strahlenden Lächeln um einen kümmern.“
„Faszinierend war für mich auch die Geduld, die die Therapeutinnen zum Beispiel dabei aufbrachten, zum hundertsten Mal ‚SCH‘ – das ‚Eisenbahn-Geräusch‘, ‚CHI – das ‚Hexen-Geräusch‘ oder ‚DR‘ – das ‚Wecker-Geräusch‘ vorzusprechen.“
„Ich habe wirklich viel im Umgang mit anderen Menschen dort gelernt und ich denke, dass diese Erfahrungen einen selbst auch ganz besonders prägen. Es war einfach schön, von den Senioren so akzeptiert zu werden, wie man ist, und zu sehen, wie sie sich freuen, wenn man für sie da ist und sich um sie kümmert. Denn ich finde es auch wichtig, sich über Kleinigkeiten im Leben freuen zu können, und das wurde mir dort auch gezeigt.“
„Dieses Praktikum war eine wichtige Erfahrung für mich. Im Nachhinein ist es für mich unwichtig, ob es mir im späteren Berufsleben Vorteile verschafft. Denn es ging nach kurzer Zeit nicht mehr um meine Berufserfahrung, sondern um die Menschen dort. Ich konnte eine andere Welt kennenlernen.“